Viele der von uns zu betreuenden Paare sind 40 oder 50, ja sogar 60 Jahre zusammen. Ein langes gemeinsames Leben verbindet sie. Sie kennen sich in- und auswendig und können sich den Alltag ohne den Anderen nicht vorstellen.
Und doch gibt es Situationen in denen genau dies eintrifft.
Der Partner vergisst nach und nach alltägliche Dinge. Er vergisst Raum und Zeit, Gegenstände und Orte. Er kennt mit fortgeschrittener Krankheit die Gesichter und Namen seiner Lieben nicht mehr. Bewegungen und Aufgaben, die einst perfekt programmiert und ausgeführt wurden, klemmen und fahren zäh wie Leim durch den Körper.
Alzheimer übernimmt das Steuer des Gehirns und überlässt die Menschen auf offener See ihrem Schicksal.
Immer wieder spüre ich, dass solche Geschichten, die das Leben schreibt, mich beschäftigen und mir nahe gehen.
Wie muss es für den gesunden Partner sein, mitzuerleben, wie ihm seine Ehefrau/Ehemann langsam aber sicher entgleitet? Wie die Gespräche schleppend werden und immer mehr Tätigkeiten für den Anderen übernommen werden müssen?
Im Verlaufe der Zeit muss sich die Betreuungsperson immer mehr Zeit stehlen für Haushaltstätigkeiten oder benötigte Termine.
Von einigen freien Stunden kann sie nur noch träumen, obwohl gerade diese so dringend nötig wären.
Irgendwann wird die Nacht zum Tag. Der erkrankte Mensch wird ruhelos und weiss nicht mehr wo sich Bett und Toilette befinden. Für den Partner ist die Betreuung längst ein 24-Stunden-Job geworden. Er hat sich Erkundigungen über externe Hilfe, Tageszentren und Pflegeheime eingeholt, hat sich Gedanken über ein Leben allein gemacht, über ein leeres und unbenutztes Bett neben dem Eigenen.
Werkzeuge, Instrumente, Handarbeiten, Bücher und Fotoausrüstung werden nicht mehr gebraucht, setzen Staub an und zeigen ihm jeden Tag brutal die aktuelle, traurige Situation auf.
Erschöpfung, Hilflosigkeit und oft auch eine leise Wut machen sich breit. Das Herz schmerzt, weil einem der geliebte Partner entglitten ist.
Er ist noch hier und doch so fern.
Wie anders haben sie sich ihr gemeinsames Leben vorgestellt!
Was bleibt, sind die Erinnerungen – begrenzt ist das Leben – doch unendlich die Erinnerung.